OLG Hamburg: Fristlose Kündigung wegen Verletzung der vereinbarten Betriebspflicht
Im Bereich des gewerblichen Mietrechts wird häufig eine Betriebspflicht geregelt, etwa zum Betrieb einer Drogerie in einem Einkaufszentrum. Wird dann gegen die Betriebspflicht ver-stoßen, so stellt sich die Frage, ob dies eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Über diese Frage hatte zuletzt das OLG Hamburg (OLG Hamburg, Urteil vom 01.06.2023 - 4 U 10/22) zu ent-scheiden.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Parteien verbindet ein gewerblicher Mietvertrag (MV). Als Mietzweck ist der „Betrieb einer Cafeteria mit südländischen Speziali-täten" vereinbart. In § 4 MV ist eine Betriebspflicht geregelt. Für den Betrieb einer Cafeteria mit südländischen Spezialitäten fehlte es an einer baurechtlichen Genehmigung. In einem ers-ten Nachtrag vereinbarten die Parteien eine vorübergehende Nutzung der Mietfläche zum Be-trieb einer Drogerie. Nachdem der Mieter in den Mietflächen zunächst einen Drogeriemarkt führte, stellte er im November 2018 den Betrieb ein und öffnete das Ladengeschäft in der Folgezeit auch nicht zu einem anderen Zweck. Im Januar 2019 begehrt der Mieter eine Nut-zungsänderung zum Betrieb eines Cafés und sodann in 2020 eine Nutzungsänderung in ein Restaurant. Im Januar 2020 forderte der Vermieter den Mieter zur Einhaltung der Betriebs-pflicht auf. Am 27.01.2021 wurde die Änderungsgenehmigung für den Betrieb eines Restau-rants erteilt. Mit Schreiben vom 12.04.2021 sprach der Vermieter eine Abmahnung wegen Verletzung der Betriebspflicht aus und erklärte am 02.07.2021 die Kündigung. Zum 03.08.2021 eröffnete der Mieter das Ladengeschäft.
Das OLG Hamburg urteilt, dass die Kündigung unwirksam. Die Verletzung der Betriebs-pflicht durch den Mieter ist zwar nicht vom Regelbeispiel des § 543 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB erfasst, sie kann aber im Rahmen der Generalklausel des § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB den Ver-mieter zur Kündigung berechtigen. Voraussetzung dafür ist nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Hieran fehlt es. Die mietvertragliche Betriebspflicht ist zwar nicht durch eine Duldung der Nichteröffnung seitens des Vermieters entfallen und auch nicht gem. § 242 BGB aufgehoben gewesen. Die Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen führt aber dazu, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietvertrags nicht unzu-mutbar war. Für den Mieter war die Erfüllung der Betriebspflicht seit Vertragsschluss erheb-lich erschwert, da es an einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung für die vertraglich ins Auge gefassten Nutzungen und an einer eindeutigen Festlegung eines - auch öffentlich-rechtlich unbedenklichen - Nutzungszwecks von Anfang an fehlte. Vor allem aber sind in der Abwä-gung zu Gunsten des Mieters die außergewöhnlichen Umstände der Corona-Pandemie zu be-rücksichtigen. Aufgrund der verschiedenen „Lockdowns" in den Jahren 2020 und 2021 er-scheint die Nichtöffnung einer Mietfläche in einem Einkaufszentrum im Sommer 2021 ver-gleichsweise kurz nach dem Ende des weitreichenden sog. „II. Lockdowns und der sog. „Bundesnotbremse" in deutlich milderem Licht als zu „normalen" Zeiten vor und nach der Pandemie.
Fazit: Verstößt der Mieter gegen die mietvertragliche Betriebspflicht, sollte ein Vermieter mit der Einleitung rechtlicher Schritte nicht allzu lange warten. Andernfalls kann die Dringlichkeit für einen Verfügungsgrund im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zur Durchsetzung der Betriebspflicht entfallen. Eine über eine lange Zeit andauernde widerspruchslose Schließung des Betriebs kann zudem grundsätzlich zu einer Aufhebung der vertraglich vereinbarten Be-triebspflicht führen.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Rechtsanwalts-kanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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