Amtsgericht Wedding: Kinderlärm führt bei Baumangel zu einem Mietmangel!
Vor Gericht wird häufig über Lärm gestritten, insbesondere in Miethäusern. Welcher Schall-schutz ist einzuhalten? Was gilt für Kinderlärm? Mit solchen Frage hatte sich kürzlich das Amtsgericht Wedding (Urteil vom 03.03.2023 - 16 C 301/21) auseinanderzusetzen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Mieter beschwerte sich über Kinder-lärm, der aus der Wohnung über ihm kam. Er meinte, dass die drei Kinder zu allen Tageszei-ten, auch während der Ruhezeiten, Rennen und Schreien würden. Zudem sei der Trittschall-schutz des Hauses nicht ausreichend. Durch Vorlage von Lärmprotokollen machte er eine 20%-ige Mietminderung geltend und verlangte zudem Mängelbeseitigung durch Verbesserung der Trittschalldämmung. Zu Recht?
Entscheidung: Ja und Nein! Dem Mieter steht gegenüber dem Vermieter ein Anspruch auf die Beseitigung des Mangels in Form einer nicht ordnungsgemäßen Trittschalldämmung im Be-reich der Loggia zu. Es ist die DIN 4109 in der Fassung von 1962 anzuwenden, da diese zum Zeitpunkt des Baujahres des Hauses galt. Die sich hieraus ergebenden Mindestwerte für den Trittschallschutz im Bereich der Loggia sind hier nicht eingehalten. Daraus folgt, dass die hier streitgegenständlichen Geräusche, auch wenn es sich dabei um grundsätzlich sozialadäquate Geräusche von spielenden Kindern handelt, in der Wohnung des Mieters lauter zu vernehmen sind, als dies bei Einhaltung der Bauvorschriften der Fall wäre. Auch wenn der Mieter sozial-üblichen Kinderlärm grundsätzlich hinnehmen muss, gilt dies jedenfalls nicht für dasjenige Mehr an Lärm, das bei Einhalten der Bauvorschriften nicht wahrnehmbar wäre. Kein Mängel-beseitigungsanspruch hinsichtlich des Trittschallschutzes besteht hingegen für die weiteren Räume der Wohnung. Denn die im Baujahr anzuwendenden DIN-Normen sind hier erfüllt. Ein Anspruch auf Erfüllung der aktuell gültigen DIN-Normen zur Trittschalldämmung besteht nicht. Es besteht auch kein Anspruch des Mieters auf Mietminderung wegen des Kinderlärms, wie er sich aus den Lärmprotokollen darstellt. Störende Geräusche in Form von Streit, Poltern, Trampeln, dem Verschieben von Möbeln und Türenknallen haben grundsätzlich als sozialadä-quate und mit der üblichen Nutzung einer Wohnung verbundene Lebensäußerungen zu gelten und müssen durch andere Mieter hingenommen werden, sofern sie nur gelegentlich und nicht ständig oder langanhaltend oder immer in Ruhezeiten auftreten. Gerade Kinderlärm wie Ren-nen und Schreien ist, jedenfalls sofern der Lärm nicht regelmäßig über lange Zeit anhält, wäh-rend der üblichen Tageszeiten hinzunehmen. Dabei ist die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgese-hene Privilegierung von Kinderlärm auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten Wohnung zu berücksichtigen.
Fazit: Fehlt eine vertragliche Vereinbarung über das Ausmaß des zu gewährleistenden Schall-schutzes, so ist die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet, wobei je-doch grundsätzlich nur der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen ist. Grundsätzlich führt Kinderlärm nicht zu einem Recht auf Minderung. Nur in Ausnahmefällen, wenn ein Baumangel vorliegt oder die Lärmstörungen über mehrere Stunden ununterbrochen tagtäglich andauern, ist eine Minderung möglich. Jeder Fall ist daher sorgfältig und einzeln zu prüfen.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Rechtsanwalts-kanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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