OLG München: Verlassen der Baustelle ist noch keine Erfüllungsverweigerung
Auf
einer Baustelle kann es auch schon einmal ruppiger zu gehen. Vor Gericht
streitet man dann häufig über die Frage, ob das Verlassen der Baustelle schon
eine endgültige Erfüllungsverweigerung darstellt, die zu
Schadensersatzansprüchen des Bauherrn gegen den Bauunternehmer führen.
Über
eine derartige Frage hatte zuletzt das OLG München (Urteil vom 26.07.2022 - 9 U
7532/21 Bau) zu entscheiden. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der
AG beauftragt den AN im Jahr 2014 unter Einbeziehung der VOB/B mit
Tiefbauarbeiten. Als Fertigstellungstermin wird der 30.08.2014 vereinbart. Der
AN führt die Arbeiten bis zu diesem Termin größtenteils aus. Allerdings
verlässt er noch vor dem Einbau der Asphalttragschicht die Baustelle und zieht
sämtliche Mitarbeiter ab. Der AG lässt zwei bis drei Wochen später, ohne den AN
zuvor zur Fertigstellung der Arbeiten aufgefordert zu haben, die noch
ausstehenden Arbeiten durch einen anderen Unternehmer durchführen und rechnet
mit den ihm hierdurch entstandenen Kosten gegenüber dem Vergütungsanspruch des
AN auf.
Die
Klage wird abgewiesen. Der AG war nicht berechtigt, die Fertigstellung auf
Kosten des AN durch ein Drittunternehmen durchführen zu lassen. Erforderlich
wäre zuvor eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung gewesen. Die Fristsetzung
war hier nicht entbehrlich. Die bloße vertragliche Vereinbarung eines
Fertigstellungstermins ohne weitergehende Regelung, z. B. hinsichtlich etwaiger
Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung des Termins, genügt hierfür - auch bei
Straßenbauarbeiten, die zeitlich befristete Straßensperrungen erfordern -
nicht. Die Fristsetzung war auch nicht im Hinblick auf eine ernsthafte und
endgültige Erfüllungsverweigerung des AN entbehrlich. Allein das Verlassen der
Baustelle ist noch keine solche Erfüllungsverweigerung. Stellt der AN die
Arbeiten ein und verlässt die Baustelle, erfordert es das Kooperationsgebot,
dass sich der AG zunächst mit dem AN in Verbindung setzt, um das weitere Vorgehen
zu besprechen. Wartet der AG einfach nur ab und lässt die Arbeiten dann im Wege
der Ersatzvornahme durchführen, kann er die Kosten hierfür dem AN nicht
berechnen.
Fazit:
Auch wenn der AN die Arbeiten (grundlos) einstellt, sollte der AG stets eine
Frist zur Fertigstellung der Arbeiten setzen und diese mit einer
Kündigungsandrohung verbinden. Dabei hat er auch darauf zu achten, dass die zu
setzende Nachfrist angemessen ist. Grundsätzlich müssen die Bauvertragsparteien
aufgrund des bauvertraglichen Kooperationsgebots bei allen auftretenden
Komplikationen und zwischen ihnen bestehenden Streitigkeiten zunächst
miteinander ins Gespräch kommen, um eine angemessene Lösung zu finden. Bei
einem Verstoß gegen dieses Gebot kann den Bauvertragsparteien - wie im zu
entscheidenden Fall - ein Rechtsverlust drohen.
Dr.
Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt
für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Rechtsanwaltskanzlei
Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
zurück zur Übersicht... |