Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Mitgebrauch des Ge-meinschaftsvermögens
Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft stellt sich häufig die Frage, wer das Gemeinschaftsvermögen nutzen darf. Über einen solchen Fall hatte kürzlich das Landgericht München (LG München I, Beschluss vom 08.11.2022 - 36 S 6500/22 WEG) zu entscheiden. Dabei ging es konkret um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer die Rezeption mitbenutzen darf.
Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zu Grunde. Der Kläger begehrt die Mitnutzung einer Rezeption in der Anlage. Er verweist auf § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG und sein Recht auf Mitgebrauch. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Berufung.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Bei dem Rezeptionsraum handele es sich um eine Teileigentumseinheit, die im Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) stehe. Damit gehöre die Einheit nicht zum Gemeinschaftseigentum, sondern nur zum Gemeinschaftsvermögen. Die WEG könne gem. § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG-Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. § 9a Abs. 3 WEG bezeichne dieses Vermögen der WEG als Gemeinschaftsvermögen. Zum Gemeinschaftsvermögen zählten alle durch die WEG erworbenen Sachen und Rechte wie hier die Sondereigentumseinheit. Das Gemeinschaftsvermögen repräsentiere neben dem Sonder- und dem Gemeinschaftseigentum, das im Eigentum der Wohnungseigentümer stehe, die dritte Vermögenssphäre des Wohnungseigentumsrechts. Ob ein Gegenstand zum Sondereigentum, Gemeinschaftseigentum oder Gemeinschaftsvermögen gehöre, sei eine rein sachenrechtliche Frage. Das Gemeinschaftsvermögen unterscheide sich grundlegend vom gemeinschaftlichen Eigentum. Die beiden Vermögensmassen müssen daher strikt voneinander getrennt betrachtet werden. Das Gemeinschaftsvermögen stehe im Eigentum der WEG. Das gemeinschaftliche Eigentum stehe hingegen eigentumsrechtlich den Wohnungseigentümern als Teilhabern in einer Gemeinschaft nach Bruchteilen zu. Erwerbe die Gemeinschaft - wie hier - selbst Grundbesitz, sei dieser wie jeder andere Gegenstand des Gemeinschaftsvermögens zu behandeln. Die Nutzung des Gemeinschaftsvermögens erfolge durch die Gemeinschaft. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, den Wohnungseigentümern insoweit § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG entsprechende Nutzungsrechte einzuräumen, und zwar weder im Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG noch durch Verweisung in § 9a Abs. 3 WEG. Am Gemeinschaftsvermögen sollten keine automatischen Individualrechte der einzelnen Wohnungseigentümer begründet werden, weil dies der „bloßen Hilfsfunktion" des Gemeinschaftsvermögens für die Verwaltung nicht gerecht würde.
Fazit: Da die Gemeinschaft Inhaberin der Sondereigentumseinheit ist, kann sie die Nutzung durch Beschlüsse bezüglich der Verwaltungs- und Benutzungsregeln regeln. Dies wäre im vorliegenden Fall der richtige Weg gewesen. Der Kläger hätte einen Antrag stellen müssen. Wäre ein negativer Beschluss erlassen worden, so hätte er hiergegen Klage erheben können mit der Begründung, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung vorliege.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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