OVG Münster: Abstandsflächen eingehalten: Verschattung einer PV-Anlage ist hinzu-nehmen!
Im Zeitalter der Energiewende kommt so mancher auf die Idee, eine PV-Anlage auf seinem Dach anzubringen. Damit die Rendite stimmt, sollte möglichst keine Verschattung durch umliegende Bäume oder Gebäude erfolgen. Das OVG Münster hatte sich kürzlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob man sich dagegen wehren kann, dass ein Nachbar auf seinem Grundstück ein Gebäude errichtet, welches wiederum zu einer erheblichen Verschattung führt und damit die Rendite erheblich beeinträchtigt.
Dem Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 02.11.2022, Az. 2 A 518/22) lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Dem OVG Nordrhein-Westfalen liegt in einer Nachbarschaftsanfechtung die Frage vor, ob eine Verschattung der eigenen Solaranlage eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots begründet. Der klagende Nachbar (N) hatte sein Gebäude mit einer Solaranlage ausgestattet. Das streitige Bauvorhaben sieht die Errichtung einer Kindertagesstätte vor und liegt in einem faktischen reinen Wohngebiet. Es überragt das Nachbargebäude, ohne dass die Höhen im Berufungsverfahren angegeben werden. Die Abstandsflächen können aber noch auf dem Baugrundstück abgebildet werden; zwischen Bau- und Nachbargrundstück liegt zudem ein weiteres, schmaleres Flurstück. N hat in der ersten Instanz erfolglos auf den Gebietserhaltungsanspruch (Kindertagesstätte) und das Rücksichtnahmegebot mit Blick auf Niederschlagswasser bei Starkregenereignissen vorgetragen. Die Berufung wird um den Einwand der Ertragseinbußen durch Verschattung der Solaranlagen ergänzt.
Ohne Erfolg! Funktion und Schutzzweck der Abstandsflächen werden nicht zu Gunsten von Solaranlagen modifiziert. Im Kern stellt das Gericht in Bezug auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auf den allgemeinen Grundsatz ab, dass dann, wenn Abstandsflächen eingehalten werden, für das Nachbargrundstück regelmäßig kein schutzwürdiges Vertrauen darin besteht, dass seine Lagegunst aufrechterhalten wird. Eine nur ausnahmsweise zu bejahende Rücksichtslosigkeit erfordert eine substanziierte Angabe konkreter Anhaltspunkte. Für Solaranlagen gilt nichts anderes: Die Einhaltung der Abstandsflächen indiziert die Einhaltung der erforderlichen Rücksichtnahme. Das Gericht lässt den - zudem wohl pauschalen - Einwand von Ertragseinbußen bis zu 40% infolge einer Verschattung nicht als hinreichenden Ausnahmefall gelten. Hierbei bestätigt es seine jüngste Rechtsprechung, die abseits von den aus einer Gesamtbetrachtung resultierenden Ausnahmefällen noch Verschattungen von 2/3 der Solaranlagen und einen damit einhergehenden Ausfall von 75 bis 80% nicht hat ausreichen lassen.
Fazit: Die Rechtsprechung des OVG Münster ist nur folgerichtig, da Abstandsflächen eine ausreichende Belüftung und Besonnung von Nachbargrundstücken schützen, hierbei jedoch das Schutzgut Mensch und nicht die erneuerbare Stromerzeugung in den Mittelpunkt stellen. Genehmigungsfragen zu Solaranlagen beziehen zudem regelmäßig nicht potenzielle Entwicklungen in der Umgebung ein und können daher nicht Vertrauensschutz über die eigene Grundstücksgrenze entfalten. Dennoch zeigt der zu Grunde liegende Sachverhalt einen städtebaurechtlich relevanten Konflikt auf, da diejenigen, die frühzeitig ihre Beteiligung an der Energiewende geleistet haben, durch - zulässige - Nachbarvorhaben nicht unzumutbar benachteiligt werden sollten. Kommunal wird daher zu prüfen sein, inwieweit sich im Bestand eine „Gemengelage" an Solaranlagen gebildet hat, die eine Steuerung durch Bauleitplanung erfordern. Um wiederum der Innenverdichtung keinen Riegel vorzuschieben, können Kommunen Programme für Umrüstungen im Bestand erstellen.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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