BGH: Kein Gewährleistungsausschluss für zugesicherte Eigenschaften
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt
zu Grunde: Im November 2012 veräußerte der Verkäufer (V) seinen Audi. Dieser
Audi war im Zeitpunkt des Kaufvertrags als gestohlen gemeldet und im Schengener
Informationssystem (SIS) zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben. Das durch
diese Eintragung bedingte Veräußerungsverbot war vor Abschluss des Kaufvertrags
von der Staatsanwaltschaft aufgehoben worden. Die Fahndungseintragung wurde
aber nicht gelöscht. Über den Eintrag klärte V nicht auf. Im Kaufvertrag
vereinbarten die Parteien u. a.: „V verkauft hiermit das Kraftfahrzeug an
den Käufer unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung." Ferner findet sich
der Passus: „V versichert, dass Kfz und Zubehörteile sein Eigentum sind.
Rechte Dritter bestehen daran nicht." Im April 2013 erklärte der Käufer (K)
die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung. Seine Klage ist in
den Vorinstanzen am vereinbarten Haftungsausschluss gescheitert.
Der Bundesgerichtshof gibt dagegen
dem Käufer Recht. Das Berufungsurteil wird vom BGH aufgehoben und
zurückverwiesen. Der auch noch im Zeitpunkt der Anfechtung bestehende
Fahndungseintrag im SIS sei ein erheblicher Rechtsmangel. Der Eintrag
sei geeignet, K in der ungestörten Ausübung der ihm gebührenden Rechtsposition
zu beeinträchtigen. Bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer Halteränderung oder
einer polizeilichen Kontrolle könne die Eintragung festgestellt, das Fahrzeug
daraufhin sichergestellt und beschlagnahmt werden. Der Verkäufer hätte über
diesen Umstand bei Abschluss des Vertrags aufklären müssen. Dass die
Staatsanwaltschaft das Veräußerungsverbot aufgehoben habe, nachdem V einen
Anwalt eingeschaltet habe, sei unerheblich. Denn nach den hier gegebenen
Umständen käme als Grundlage des Veräußerungsverbots nur die bestehende
SIS-Eintragung in Betracht, von deren Löschung V nicht ausgehen durfte. Davon
abgesehen erstrecke sich der vereinbarte Gewährleistungsausschluss nicht auf
die Rechtsmängel. Unerheblich sei, ob es sich beim Gewährleistungsausschluss um
Allgemeine Geschäftsbedingungen handle. Auch individualvertragliche Regelungen
unterlägen einer (eingeschränkten) Nachprüfung. Das Berufungsgericht habe die
Ausschlussbestimmung fehlerhaft nicht im Gesamtkontext des Vertrags beurteilt.
Die Parteien hätten im Kaufvertrag nicht nur die Gewährleistung ausgeschlossen,
sondern durch die Vereinbarung: „Rechte Dritter bestehen daran
nicht" ausdrücklich hervorgehoben, dass die Kaufsache frei von
Rechtsmängeln sei. Diese zugesicherte Eigenschaft sei eine Beschaffenheitsvereinbarung.
Der pauschale Gewährleistungsausschluss könne deshalb nur dahin ausgelegt
werden, dass er nicht für das Fehlen der zugesicherten Rechtsmängelfreiheit,
sondern nur für Sachmängelfreiheit gelten könne. Diese Auslegung sei
interessengerecht, weil hier ein nachvollziehbares Bedürfnis des K bestünde,
die Rechtsmängelhaftung fortgelten zu lassen. Die Rechtsmängel seien - im
Gegensatz zu den Sachmängeln - nicht bei einer Besichtigung oder Probefahrt
leicht zu erkennen, sondern nur unter größeren Schwierigkeiten feststellbar.
Fazit: Auf
einen pauschalen Gewährleistungsausschluss kann sich derjenige nicht verlassen,
der eine bestimmte Eigenschaft zusichert. Für diese Eigenschaft gilt der
Ausschluss nicht. Haben die
Vertragsparteien in einem Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug neben
einem Gewährleistungsausschluss zusätzlich ausdrücklich die
Rechtsmängelfreiheit der Kaufsache zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht,
gilt der Haftungsausschluss nicht für Rechtsmängel, sondern ausschließlich für
Sachmängel.
Dr. Wolfgang
Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht,
Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
zurück zur Übersicht... |