OLG Frankfurt: Ist der Bauunternehmer überzahlt, so haftet der Architekt
In der
Praxis kommt es häufig vor, dass ein Bauunternehmer überzahlt ist. Dies kann
auch dann vorkommen, wenn der Bauherr gleichzeitig einen Architekten beauftragt
hat. Wie weit reicht die Haftung des Architekten? Dies ist insbesondere dann
relevant, wenn etwa der Bauunternehmer in Insolvenz gerät.
Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das OLG Frankfurt (Urteil vom
31.03.2016, Az. 6 U 36/15) auseinanderzusetzen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein öffentlicher
Auftraggeber (AG) beauftragt einen Architekten u. a. mit der Leistungsphase 8
(HOAI), insbesondere mit der Rechnungsprüfung. Der Architekt prüft die
Abschlagsrechnungen des Bauunternehmers, gibt dabei den Zahlungs- und den
geprüften Leistungsstand an und spricht in den Begleitschreiben zu den
Rechnungsprüfungen jeweils eine bezifferte Auszahlungsempfehlung aus. Dabei
berücksichtigt er eine vom AG geleistete und ihm bekannte Vorauszahlung nicht.
Nachdem der Bauunternehmer seine Leistungen schlussgerechnet hat, stellt der AG
eine Überzahlung fest. Der AG trifft mit dem Bauunternehmer eine Vereinbarung,
welche die Rückzahlung der Überzahlung regelt. Die Rückzahlung durch den Bauunternehmer
erfolgt gestaffelt. Hinsichtlich einer verbleibenden Differenz nimmt der AG den
Architekten wegen fehlerhafter Rechnungsprüfung auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht bejaht die Haftung der Architekten. Hiergegen wendet sich die
Berufung des Architekten.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Das Oberlandesgericht bestätigt die erstinstanzliche Entscheidung. Es bejaht
eine Pflichtverletzung des Architekten im Rahmen der Rechnungsprüfung. Es
gehört zu einer ordnungsgemäßen Rechnungsprüfung, dass der Architekt im
Rahmen der Leistungsphase 8 Zahlungsempfehlungen an den Bauherrn abgibt.
Auf diese Zahlungsempfehlungen darf sich der AG grundsätzlich verlassen.
Etwas anderes gilt nur, wenn der AG den Fehler ohne Weiteres hätte erkennen
können. Eine Pflicht des AG dahingehend, dass er seine geleisteten Zahlungen
selbst überprüfen muss, besteht nicht. Dies gilt vor allem dann, wenn der
Architekt seine Zahlungsempfehlung ohne die Einschränkung eines Vorbehalts
eigener Prüfung des AG abgibt. Ein Mitverschulden des AG scheidet aus. Für
fehlerhafte Zahlungsempfehlungen, die eine Überzahlung des Bauunternehmers zur
Folge haben, haftet daher der rechnungsprüfende Architekt gegenüber dem
Bauherrn.
Fazit: Zur ordnungsgemäßen Rechnungsprüfung des
Architekten gehört es, dass er dem Bauherrn Zahlungsempfehlungen gibt. Hierbei
hat der Architekt die ihm bekannten Abschlags- und Vorauszahlungen bei der
Ermittlung des Zahlungsstands und bei seinen Zahlungsempfehlungen zu
berücksichtigen, um eine Überzahlung des Bauunternehmers zu vermeiden.
Soweit
Architekten vorbehaltlose Zahlungsfreigaben erteilen, darf sich der
Auftraggeber auf deren Richtigkeit verlassen, ohne diese selbst noch einmal
überprüfen zu müssen. Dies gilt zumindest so lange, wie sich der Auftraggeber
an die Zahlungsfreigaben des Architekten hält und keine weitergehenden
Zahlungen veranlasst hat, ohne den Architekten darüber zu informieren.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer,
Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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