LG Berlin: Keine Entfernungspflicht von Asbest ohne Gesundheitsrisiko
Hat
ein Vermieter die Pflicht, Asbest zu entfernen, obwohl ein Gesundheitsrisiko
nicht besteht? Diese Frage hatte kürzlich das Landgericht Berlin (Urteil vom
03.12.2014, 65 S 220/14) zu entscheiden.
Dem Urteil lag folgender
Sachverhalt zu Grunde: Der Mieter erhebt Klage auf Entfernung eines
möglicherweise asbesthaltigen Klebers von Bodenplatten und auf Feststellung,
dass der Vermieter verpflichtet ist, für alle Schäden Ersatz zu leisten, die
ihm durch die Gesundheitsgefährdung im Zusammenhang mit Abbruch- und
Sanierungsarbeiten an der Wohnung entstanden sind und als Spätfolge noch
entstehen werden. Nach Abweisung der Klage wendet sich der Mieter hiergegen mit
seiner Berufung.
Die Berufung
bleibt ohne Erfolg. Der Kleber müsse nicht entfernt werden. Ein Schadensersatz
wegen einer potenziellen Gesundheitsgefahr sei nicht zu leisten. Dahinstehen könne,
ob der Kleber asbesthaltig ist. Ein Anspruch
auf die Veränderung des angemieteten Zustands bestehe nur ausnahmsweise, wenn ein Mindeststandard für zeitgemäßes Wohnen nicht
gewährleistet sei. Dies umfasse auch die Gewährleistung
eines Mindeststandards für gesundes Wohnen und zur Verhinderung von Gesundheitsgefahren. Solche seien
indes nicht ersichtlich. Das Betreten und die
übliche Nutzung des Bodens führten zu keiner
mechanischen Belastung des Klebers. Der Abrieb
von Asbestfasern und ihre Ablösung in die Umgebung sei damit ausgeschlossen.
Die Klage auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs sei unzulässig, denn
es bestehe kein Grund, mit einem Schaden wenigstens zu rechnen. Ein
Messgutachten bezüglich der Belastung mit künstlichen Mineralfasern bei
Deckenarbeiten in Bad und Flur weise keine unüblich erhöhten
Konzentrationswerte auf. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei den
Arbeiten auch Asbestfasern freigesetzt wurden. Der Mieter müsse nicht mit Gesundheits- oder anderen Schäden rechnen,
für welche der Vermieter einzustehen habe. Eine Gefahr, die über das jedermann
drohende allgemeine Risiko hinausgehe, sei nicht erkennbar. Die Arbeiten seien
nicht in Gegenwart des Mieters durchgeführt worden. Ihm sei eine andere Wohnung
zur Verfügung gestellt worden. Das vom Vermieter beauftragte Unternehmen habe
alle vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten. Die Entscheidung des
Mieters, eine zum Schutz verlegte Folie anzuheben, um den Fortgang der Arbeiten
nachzuvollziehen, sei nicht vom Vermieter zu vertreten, zumal der Mieter in
diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von der potenziellen Gefährdung hatte.
Das Urteil ist zutreffend.
Die Entfernung von unter Umständen asbesthaltigen Baustoffen kann nicht
verlangt werden, wenn ein Mindeststandard für gesundes Wohnen unter
Verhinderung von Gesundheitsgefahren gewährleistet wird. Ein Ersatzanspruch des
Mieters nach Entfernung von Asbest und Mineralfasern besteht nur, wenn mit
einem Schaden wenigstens zu rechnen ist. Die Angst vor der Asbestgefahr sollte aber
nicht zu einer panischen Überreaktion führen. Selbstverständlich ist darauf zu
achten, dass bei der Entfernung und Verarbeitung asbesthaltiger Baustoffe alle
vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen, wie z. B. die Verwendung von H1-Saugern und
das Auslegen dicker Schutzfolien, eingehalten werden. Auch sollte dem Mieter
während der Arbeiten eine Ersatzwohnung zur Verfügung gestellt werden. Der
Mieter ist auch unverzüglich über eine bestehende Gesundheitsgefahr durch
Asbest oder künstliche Mineralfasern zu informieren. Das Verbot der Verwendung
von schwach gebundenem Asbest ist einzuhalten. Andererseits zeigt das Urteil,
dass bei Einhaltung aller Schutzmaßnahmen der Vermieter lediglich dann mit
einer Entfernungspflicht oder Haftung rechnen muss, wenn die Asbestbelastung eine konkrete
Gesundheitsgefahr darstellt. Eine Klage des Mieters ist ebenfalls nur in diesen Fällen
sinnvoll.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße
33, Hückelhoven-Ratheim
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