OLG Stuttgart: Keine Mängelansprüche bei funktionstauglicher Leistung und Verlängerung der Gewährleistungsfrist
Welche
Rechtsfolge tritt ein, wenn ein Unternehmer abweichend von den Vorgaben des
Leistungsverzeichnisses seine Arbeiten ausführt?
Mit
dieser Frage hatte sich kürzlich das OLG Stuttgart (Beschluss vom 03.01.2014,
Az. 4 U 113/13) auseinanderzusetzen: Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zu
Grunde: Der Bauherr nimmt den Auftragnehmer (AN) wegen einer nicht
vertragsgerecht erstellten Abdichtung der Außenwände eines Einfamilienhauses in
Anspruch. Tatsächlich weicht die Abdichtung von den vertraglichen Vorgaben ab,
wie ein vom TÜV Süddeutschland eingeholtes Gutachten festgestellt hat.
Unbeschadet dessen funktioniert die Abdichtung einwandfrei; Feuchtigkeitsprobleme
bzw. -eintritte werden nicht beklagt. Das TÜV-Gutachten empfahl, diesen
Umständen mit einer Verlängerung der Gewährleistungsfrist von fünf auf 10 Jahre
Rechnung zu tragen. Der AN griff den Vorschlag auf und bot eine dahingehende
Verlängerung ausdrücklich an. Dieses Angebot wurde vom Bauherrn akzeptiert.
Nachdem sodann ein weiterer - vom Bauherrn hinzugezogener - Gutachter zu dem
Ergebnis kam, dass die Abdichtung nicht durchgängig die vom TÜV unterstellte
Schichtdicke aufweise, verlangte der Bauherr Neuherstellung der Abdichtung nach
Maßgabe der anerkannten Regeln der Technik. Kostenpunkt: 20.000 Euro. Dem
beschied das LG Heilbronn in der ersten Instanz keinen Erfolg. Es sah keinen
Gewährleistungsfall gegeben, weil die Abdichtung unstreitig funktioniert. Zudem
erachtete es den Kostenaufwand für unverhältnismäßig.
Das OLG
Stuttgart weist die Berufung zurück. Es führt aus, dass der Bauherr das Angebot der Verlängerung der Gewährleistungsfrist
- auch vor dem Hintergrund des Gutachtens des TÜV Süddeutschland - nicht anders
als zumindest vorläufige Erledigung der
Mängelrügen verstehen könne. Das Angebot und deren Annahme seien unbedingt
und auch nicht anders zu interpretieren. Werde die Abdichtung einer Kelleraußenwand
abweichend von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses ausgeführt und einigen
sich die Parteien deshalb darauf, dass die Gewährleistungsfrist von fünf auf 10
Jahre verlängert wird, stehe dem Auftraggeber kein Anspruch auf Herstellung
einer den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Abdichtung zu, wenn die
eingebaute Abdichtung seit über 10 Jahren funktionstüchtig sei. Mängelansprüche
sollten erst dann wieder in Betracht
kommen, wenn innerhalb der verlängerten Frist
Feuchtigkeitseintritte zu verzeichnen wären. Unstreitig sei es eben dazu
nicht gekommen. Unabhängig davon will auch das OLG Stuttgart in den Kosten für
die Neuherstellung eine Unverhältnismäßigkeit erkennen.
Die Entscheidung des OLG
Stuttgart ist falsch. Richtig ist: Jede Abweichung der Ist- von der
Soll-Beschaffenheit stellt einen Mangel dar, ohne dass es auf eine Wert- oder
Tauglichkeitsminderung ankommt. Die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit
hinsichtlich der veranschlagten Kosten in Höhe von 20.000 Euro dürfte streitbar
sein. Das OLG Stuttgart bestätigt dabei die erste Instanz, ohne sich
sonderliche Mühe mit der Begründung zu geben. Bei dahingehenden
Vereinbarungen ist für den Auftraggeber Vorsicht geboten. Eine Beschränkung der
Mängelhaftung steht im Raum.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße
33, Hückelhoven-Ratheim
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