OLG Köln: Nicht jeder Bauleistungsmangel ist ein Fehler der Bauüberwachung
Häufig beauftragt ein
Bauherr einen Architekten nicht nur mit der Planung, sondern auch mit der
Bauleitung. Treten größere Schäden auf, so muss der Bauherr häufig feststellen,
dass der Bauunternehmer wirtschaftlich nicht in der Lage ist, den Schaden zu
ersetzen. Spätestens dann stellt sich der Bauherr die Frage, wann er den
Architekten, der möglicherweise eine Haftpflichtversicherung hat, in Anspruch
nehmen kann.
Das OLG Köln (Beschluss
vom 20.01.2014, Az. 11 U 116/13) hatte sich kürzlich mit folgendem Sachverhalt
auseinander zu setzen: Ein Architekt wird mit der Überwachung einer
Dachsanierung beauftragt. Im Nachgang zeigen sich Wasserblasen, verschobene
Dämmplatten sowie Verklebungs- und Verschweißungsmängel. Der Architekt macht
geltend, während der Sanierungsarbeiten ganztägig auf der Baustelle anwesend
gewesen zu sein und keine Anhaltspunkte für Beanstandungen gefunden zu haben.
Der Auftraggeber (AG) verweist auf die baulichen Mängel und darauf, dass diese
für Versäumnisse des Architekten sprechen. Insofern müsse dieser beweisen, dass
er keine Fehler begangen habe. Der AG verlangt Schadensersatz.
Die
Klage wird abgewiesen. Der Nachweis
einer Pflichtverletzung - den grundsätzlich der AG zu erbringen hat -
kann durch einen Anscheinsbeweis
erleichtert werden. Dies ist dann der Fall, wenn im Hinblick auf Art, Schwere und Erkennbarkeit der Mängel
ein typischer Geschehensablauf
anzunehmen ist, der dafür spricht, dass die Überwachung durch den Architekten mangelhaft ist. Aufgrund der
Charakteristik der Mängel bzw. deren Häufigkeit im konkreten Fall kann nicht
angenommen werden, dass die Mängel vor oder während der Abnahme erkennbar
gewesen sind, weshalb ein erster Anschein nicht anzunehmen ist. Außerdem hätte
eine Verletzung der Bauüberwachungspflicht konkret belegt werden müssen, da der
Architekt die Erfüllung der gebotenen Bauüberwachung hinreichend dargetan hat.
Dass Bauleistungen auch ohne
Überwachungsfehler mangelhaft sein können, scheint mittlerweile selten zu sein.
Die Entscheidung stellt daher eine Ausnahme dar. Die Anforderungen daran, dass
allein das Vorliegen eines Baumangels den Anschein eines Überwachungsfehlers
erwecken kann, sind nach der Rechtsprechung des BGH nicht sehr hoch. Oft kann
der Architekt dann nicht hinreichend darlegen, dass er ausreichend geprüft hat.
Insofern muss er seine Arbeit möglichst detailliert protokollieren und die
Bauüberwachung ernst nehmen. Denn auch laut dem vom Gericht im konkreten Fall
gehörten Sachverständigen war eine zweimal tägliche Stichprobe der Arbeiten bei
deren Erbringung durch ein Fachunternehmen „genügend"(!). Der
bauaufsichtführende Architekt ist also nicht verpflichtet, sich ständig auf der
Baustelle aufzuhalten. Er muss jedoch die Arbeiten in angemessener und
zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern,
dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Bei wichtigen oder bei
kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen,
ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren
Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. Besondere Aufmerksamkeit hat der
Architekt auch solchen Baumaßnahmen zu widmen, bei denen sich im Verlauf der
Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben. Der Beweis für eine
Pflichtverletzung des bauüberwachenden Architekten obliegt grundsätzlich dem
Auftraggeber. Allerdings kann dieser Nachweis durch einen Anscheinsbeweis
erleichtert werden. Das ist der Fall, wenn im Hinblick auf Art, Schwere und
Erkennbarkeit der Mängel ein typischer Geschehensablauf anzunehmen ist, der
dafür spricht, dass die Überwachung durch den Architekten mangelhaft ist. Dann
ist es Sache des Architekten, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern und
darzutun, dass er hinreichende Überwachungsleistungen erbracht hat.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht
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