Im Rahmen
von baurechtlichen Auseinandersetzungen stellt sich häufig die Frage, ob und
gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Privatgutachterkosten
erstattungsfähig sind. Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das OLG Stuttgart
auseinanderzusetzen.
Dem Urteil (Urteil vom 16.11.2016, Az. 3 O 98/16) lag folgender
Sachverhalt zugrunde: In der Bauphase eines Mehrfamilienhauses beauftragt
die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) einen Sachverständigen, Arbeiten des
Bauträgers in der Zeit vom 20.03. bis zum 21.10.2013 zu kontrollieren. Mit
Beschluss vom 11.05.2013 zieht die WEG die Mängelansprüche an sich. Der
Bauträger fordert die Erwerber mit Schreiben vom 20.11.2013 zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums
auf. Die WEG verlangt vom Bauträger die Erstattung der von ihr verauslagten
Gutachterkosten.
Das Oberlandesgericht Stuttgart weist
die Klage ab Zwar seien die Kosten für ein Gutachten, das zu Ursachen und
Ausmaß von Mängeln Stellung nimmt, als Mangelfolgeschaden ersatzfähig. Da der
Schaden von vorneherein neben dem Nachbesserungsanspruch bestehe, bedürfe es
auch keiner Fristsetzung. Sachverständigenkosten gehörten auch zu den zum
Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, wenn sie zur Vorbereitung
von Gewährleistungsansprüchen aufgewandt worden sind. Dies sei nicht der
Fall, wenn der Gutachter nur beauftragt ist, den Besteller ganz
allgemein über die Qualität der Bauleistungen zu informieren und die
notwendige Kenntnis für das weitere Vorgehen gegen den Unternehmer zu
verschaffen. Wenn der Besteller die Bautätigkeit durch einen Architekten
begleiten lasse, handele es sich nicht um Kosten der Nacherfüllung, auch wenn
der Zweck der Maßnahme darin bestehen mag, etwaige Mängel zu erkennen und
geltend zu machen. Als Nacherfüllungskosten könnten Gutachterkosten
daher frühestens dann angesehen werden, wenn der Unternehmer nach seiner
Auffassung die Leistung im Wesentlichen abgeschlossen und ein
abnahmefähiges Werk hergestellt habe, so dass aus seiner Sicht die Erfüllungsphase
im Wesentlichen beendet sei. Dies gelte auch für den Anspruch auf Ersatz
der Gutachterkosten. Hier sei der Sachverständige ausweislich der
Stundenerfassung noch im Erfüllungsstadium tätig, als der Bauträger selbst noch
nicht von der Abnahmefähigkeit seiner Leistung ausgeht. Dies tue er frühestens
zum Zeitpunkt seines Aufforderungsschreibens. Außerdem seien die
Gutachterkosten teilweise zu einem Zeitpunkt angefallen, zu dem die WEG die
Mängelrechte noch nicht an sich gezogen habe. Dies sei erst mit Beschluss vom
11.05.2013 der Fall. Vorher fehle der WEG die Ausübungsbefugnis,
Mängelansprüche geltend zu machen.
Fazit: Privatgutachterkosten
sind erstattungsfähig, wenn das Gutachten zu Ursachen und Ausmaß eingetretener
und noch zu erwartender Mängel Stellung nimmt und der Vorbereitung von
Gewährleistungsansprüchen dient. Das Oberlandesgericht wendet die
Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten konsequent
auf das Werkvertragsrecht an.
Dr. Wolfgang
Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht,
Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim