AG Brandenburg: Nachbar muss Überbau seiner Grundstücksgrenze bis 25 cm hin-nehmen
Zwischen Nachbarn wird oft
um die Frage eines Überbaus gestritten. Das Amtsgericht Brandenburg hatte sich
kürzlich mit einer solchen Konstellation auseinanderzusetzen.
Dem Urteil (Urteil vom
07.12.2016, Az. 31 C 160/14 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Auf der
Grundstücksgrenze benachbarter Grundstücke hat Nachbar A in den Jahren 2000 bis
2005 ein Carport und einen Unterstand errichtet und dabei einen Dachüberstand
produziert, der 15 - 28 cm in den Luftraum des Nachbargrundstücks hineinragt.
Der solchermaßen beeinträchtigte Nachbar B verlangt die Beseitigung des
Überstands, hilfsweise Herausgabe des überbauten oberirdischen Grundstücks
(Luftraum unter dem Überstand).
Das Amtsgericht
Brandenburg gibt der Klage nur teilweise statt. Nachbar A muss das Grundstück
nur insoweit herausgeben, als die Dachüberstände mehr als 25 cm in den Luftraum
des Nachbargrundstücks hineinragen. Das Gericht sieht den Beseitigungsanspruch, für den die dreijährige Verjährungsfrist
des § 195 BGB i.V.m. § 4 BbgNRG gilt, zwar als verjährt an. Der klagende Nachbar A hatte nämlich spätestens seit 2005 Kenntnis
vom Überbau und nichts dagegen unternommen. Demgegenüber verjährt der Herausgabeanspruch für ein Grundstück
nicht (§ 902
BGB). Zur Vermeidung der Zerschlagung wirtschaftlicher Werte greift das Gericht
dann auf § 19 BbgNRG zurück. Danach ist ein Nachbar zur Duldung eines Überbaus verpflichtet,
wenn dieser sein Grundstück nur
unwesentlich beeinträchtigt. Für den Begriff der Unwesentlichkeit orientiert sich das Gericht an den
für Wärmedämmungen eingeführten § 19a BbgNRG, wonach ein Überbau von bis zu 25 cm zu dulden ist. Da das Gericht
lediglich den Herausgabeanspruch
teilweise bejaht, muss der sich vom Überbau gestört fühlende Eigentümer die nicht von ihm
hinzunehmende, weil über 25 cm hinausgehende Störung selbst und auf eigene Kosten beseitigen (BGH, Urteil vom
16.05.2014 - V ZR 181/13, IMR 2014, 395). Anders wäre es nur, wenn der
Beseitigungsanspruch gegeben gewesen wäre. In diesem Fall hätte der Eigentümer
des Carports und des Unterstands den Dachüberstand kürzen müssen.
Fazit: Grundsätzlich muss
kein Grundstückseigentümer die Verletzung seines Eigentums durch andere dulden
(§ 903 BGB). Die uneingeschränkte Anwendung dieses Grundsatzes kann jedoch im
Einzelfall zu einer beträchtlichen Wertvernichtung führen. Zur Vermeidung
unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Härten hat der Gesetzgeber in §§ 912 ff.
BGB Regeln geschaffen, die im Falle des Überbaus zu einem Interessenausgleich
zwischen den beteiligten Eigentümern führen sollen. Unter bestimmten
Bedingungen muss daher der Grundstückseigentümer einen Überbau dulden. Das
Amtsgericht hat hier ausführlichst herausgearbeitet, wie diese Grundsätze über
das Brandenburgische Nachbarrechtsgesetz auch auf Fälle anwendbar sind, bei
denen die §§ 912 ff. BGB nicht direkt anzuwenden sind, weil - wie hier - ein
Carport und ein Unterstand schon keine Gebäude i.S.d. § 912 BGB und zudem der
Anspruch auch verjährt war.
Dr. Wolfgang
Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht,
Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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