Bundesgerichtshof: Sind wesentliche Mängel gerügt, so führt eine Nutzung nicht zur Abnahme
Dreh- und Angelpunkt eines Baumängelprozesses ist die Frage, ob eine
Abnahme vorliegt. Die Abnahme ist entscheidend für die Frage, wer die
Beweislast trägt. Immer wieder wird vorgetragen, es liege eine Nutzung vor,
darin sei eine Abnahme zu sehen. Ist dies so richtig?
Mit dieser Frage hatte
sich kürzlich der Bundesgerichtshof auseinanderzusetzen (BGH, Urteil vom
05.11.2015 - VII ZR 43/15). Dem Urteil lag
folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Bauherr beauftragt ein Bauunternehmen
(Auftragnehmer = AN) mit der schlüsselfertigen Errichtung einer Stadtvilla. Der
vereinbarte Fertigstellungstermin (spätestens 10.09.2011) wird vom AN erheblich
überschritten. Am 09.11.2011 findet ein Termin auf der Baustelle statt, an dem
die Parteien und ein vom Bauherrn beauftragter Sachverständiger teilnehmen. Die
Pflasterarbeiten im Außenbereich (Zuwegung und Terrasse) sind zu diesem
Zeitpunkt noch nicht ausgeführt. Nach einem vom Sachverständigen erstellten
Bericht weist das Bauvorhaben ferner zahlreiche, zum Teil als erheblich
eingestufte Mängel auf. Eine ausdrückliche Abnahmeerklärung gibt der Bauherr an
diesem Tag nicht ab. Durch Anwaltsschreiben vom gleichen Tag kündigt er an,
dass er auf die Rechnung vom 31.10.2011 wegen mangelnder Fälligkeit der letzten
Rate lediglich die vorletzte Rate abzüglich der insgesamt angefallenen
Vertragsstrafe überweisen werde. Im Werklohnprozess wendet der AN unter anderem
ein, der Bauherr könne die Vertragsstrafe schon deshalb nicht mehr geltend
machen, weil er sich diese bei Abnahme - diese sei konkludent bereits am
09.11.2011 erfolgt - nicht ausdrücklich vorbehalten habe.
Mit diesem Argument hat der Auftragnehmer
keinen Erfolg. Zwar könne der Besteller die Vertragsstrafe grundsätzlich nur
verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei Abnahme vorbehalte. Entgegen der
Auffassung des AN komme es jedoch nicht darauf an, ob der Bauherr am 09.11.2011
einen Vertragsstrafenvorbehalt erklärt habe. Denn an diesem Tag sei es nicht zu
einer Abnahme der Werkleistung gekommen. Eine ausdrückliche Abnahmeerklärung
sei an diesem Tag unstreitig nicht erfolgt. Aber auch eine konkludente Abnahme
komme nicht in Betracht. Eine konkludente Abnahme setze voraus, dass nach den
Umständen des Einzelfalls das nach außen hervortretende Verhalten des
Bestellers den Schluss rechtfertige, er billige das Werk als im Wesentlichen
vertragsgemäß. In einer Nutzung durch den Besteller könne eine konkludente
Abnahme liegen. Das sei jedoch nicht der Fall, wenn der Besteller
vor Beginn der Nutzung oder innerhalb einer angemessenen Prüffrist Mängel rüge,
die ihn zu einer Abnahmeverweigerung berechtigten, oder wenn das Bauwerk
noch nicht vollständig fertig gestellt sei. Nach diesen Grundsätzen sei
vorliegend eine konkludente Abnahme zu verneinen. Denn anlässlich des Termins
vom 09.11.2011 habe der vom Bauherrn beauftragte Sachverständige eine Reihe
von Mängeln festgestellt, die er zum Teil als erheblich eingestuft
habe. Darüber hinaus seien die Außenanlagen noch nicht fertig gestellt
gewesen, was ebenfalls beanstandet worden sei. Der AN habe daher keinen Anlass
zur Annahme gehabt, der Bauherr billige das Werk als im Wesentlichen
vertragsgemäß.
Die
Entscheidung liegt bezüglich der Anforderungen an das Vorliegen einer
konkludenten Abnahme ganz auf der Linie der ständigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung. In einer Nutzung durch den Besteller kann eine konkludente
Abnahme liegen. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn der Besteller vor Beginn
der Nutzung oder innerhalb einer angemessenen Prüffrist Mängel rügt, die ihn zu
einer Abnahmeverweigerung berechtigen, oder wenn das Bauwerk noch nicht
vollständig fertig gestellt ist.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer,
Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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