Oberlandesgericht Frankfurt: Architekt nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein!
Kommt
es zu Baumängeln, stellt sich häufig die Frage, ob Ansprüche auch gegen den
Architekten bestehen. Dies schon deswegen, weil dieser meist eine
Haftpflichtversicherung hat. Wann aber liegt eine Verletzung der
Bauaufsichtspflicht vor? Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das Oberlandesgericht
Frankfurt (Urteil vom 27.11.2013, Az. 23 U 203/12) auseinanderzusetzen.
Dem Urteil lag folgender
Sachverhalt zu Grunde: Der klagende Architekt begehrt die Zahlung von
Architektenhonorar für Bauleitungsdienste. Widerklagend verlangt der
Auftraggeber (AG) vom Architekt 38.000 Euro Schadensersatz wegen Mängeln. Der
AG hatte im Mai 2001 mit dem Architekten einen „Bauleitungsvertrag“ betreffend
die Durchführung von Renovierungsarbeiten geschlossen. Nachdem vielfache
Versuche des Architekten scheiterten, mit dem AG einen Besprechungstermin auf
der Baustelle zu vereinbaren, kündigte er den Bauleitervertrag. Das Landgericht
spricht dem AG den verlangten Schadensersatz wegen Baumängeln zu, die der
Architekt pflichtwidrig nicht verhindert habe.
Die
Berufung des AG hat Erfolg. Das OLG Frankfurt weist die Widerklage ab. Der
Architekt habe nicht gegen seine Pflichten aus dem Bauleitungsvertrag
verstoßen. Vom Bauleiter werde nicht erwartet, dass er selbst das Bauwerk
errichtet, sondern lediglich, dass er die Arbeiten der Bauunternehmer und der
Übrigen am Bau Beteiligten so leite, koordiniere und überwache, dass das
Bauwerk plangerecht und möglichst mängelfrei zur Vollendung komme. Für eine
mangelfreie Leistungserbringung seitens der Bauunternehmen habe der Bauleiter
nicht automatisch einzustehen. Allein aus äußeren Mangelerscheinungen
des Bauwerks könne nicht auf Mängel des Architektenwerks geschlossen
werden. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Bauaufsichtspflicht gehöre es nicht,
jeden Baumangel durch ständige Anwesenheit auf der Baustelle zu verhindern.
Zwar müsse bei typischen Gefahrenquellen, kritischen Bauabschnitten für den
Gesamterfolg und nur kurzzeitig kontrollierbaren Gewerken im Rahmen der
ordnungsgemäßen Bauaufsicht bereits rechtzeitig vor Verwirklichung von Mängeln
im Bauwerk das Entstehen von Mängeln verhindert bzw. rechtzeitig deren Behebung
veranlasst werden. Maßgeblich für eine in diesem Sinn geschuldete intensive
Objektüberwachung seien Art und Umfang des Baumangels, seine Erkennbarkeit
während der Bauerrichtung und seine Zuordnung zu einem für den Gesamterfolg
wichtigen Gewerk. Bei einfachen, gängigen Arbeiten müsse der Architekt dagegen
nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein, um die Arbeiten zu
kontrollieren. Bei den hier mangelbehafteten Fliesen-, Maler-, Schreiner-
und Spachtelarbeiten handele es sich durchweg um solche einfachen Arbeiten,
die kaum das Niveau bloßer Schönheitsreparaturen überschritten. Deswegen
bestehe insofern keine besondere fortlaufende Überwachungspflicht des
Architekten; dieser habe vielmehr davon ausgehen können, dass solche einfachen
Arbeiten auch ohne ständige Überwachung durchgeführt und ordnungsgemäß erledigt
würden.
Zur
ordnungsgemäßen Erfüllung der Bauaufsichtspflicht gehört es nicht, jeden
Baumangel durch ständige Anwesenheit auf der Baustelle zu verhindern.
Insbesondere muss der Architekt bei
einfachen, gängigen Arbeiten nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein, um
die Arbeiten zu kontrollieren. Für Maler- und Innenputzarbeiten sowie
vergleichbare Bauleistungen genügen Stichproben und die Kontrolle am Ende der
Arbeiten. Der Sachverhalt weist vorliegend die Besonderheit auf, dass der Bauleitervertrag
vor der Fertigstellung der Sanierungsarbeiten durch Kündigung beendet wurde.
Deshalb war der Bauleiter nicht mehr verpflichtet, (spätestens) beim
Abnahmetermin auf eine Beseitigung von Mängeln hinzuwirken. Im Regelfall hat
der Bauleiter jedoch die Bauleistungen (spätestens) nach ihrer Fertigstellung
zu kontrollieren. Wenn der Bauleiter hier pflichtwidrig Mängel der Bauleistung
übersieht, verletzt er seine Bauleitungsverpflichtung.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer,
Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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