AG Cannstadt: Keine Wohnungsbesichtigung durch Vermieter ohne Anlass
Es stellt sich die Frage, ob Vermieter
ein Besichtigungsrecht per Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im
Mietvertrag einräumen und einen sich weigernden Mieter kündigen dürfen.
Mit dieser Frage hatte sich das
Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 27.10.2014 - 6 C 1267/14)
auseinanderzusetzen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Mieter
zog 1995 in eine Mietwohnung in Stuttgart. Der Mietvertrag enthielt unter
anderem die folgende Klausel: „... Der Vermieter oder die von ihm
Beauftragten dürfen die Mietsache zur Prüfung ihres Zustands oder zum Ablesen
von Messgeräten während der üblichen Besuchszeiten betreten." Nach
einem Verkauf dieser Mietwohnung im Jahr 2004 schaute sich der neue Vermieter
zunächst einmal die Wohnung an, ohne dass der Mieter dagegen Einwände hatte. Im
Jahr 2012 wollte er erneut eine Wohnungsbesichtigung durchführen und schrieb
deshalb den Mieter an. Er schlug ihm hierzu mehrere Termine vor. Im Fall der
Weigerung drohte er mit der Kündigung. Als der Mieter sich weigerte sprach der
Vermieter die Kündigung aus. Er berief sich im Rahmen der Räumungsklage darauf,
dass ihm aufgrund der Klausel im Mietvertrag ein periodisches
Besichtigungsrecht zusteht. Ansonsten könne er nicht ordnungsgemäß die Wohnung
bewirtschaften.
Hierzu entschied das AG Stuttgart-Bad
Cannstatt, dass die Kündigung des Mietvertrags durch den Vermieter rechtswidrig
gewesen ist. Der Mieter habe hier nicht gegen seine vertraglichen Pflichten
verstoßen. Dies ergebe sich zunächst einmal daraus, dass die hier verwendete
Besichtigungsklausel unwirksam sei. Denn die verwendete Formulierung in
angemessenen Abständen und nach rechtzeitiger Ankündigung verstoße gegen den
Bestimmtheitsgrundsatz. Bereits aus diesem Grund sei sie gemäß unwirksam, weil
der Mieter hier durch eine unklare Formulierung auf unangemessene Weise
benachteiligt werde. Darüber hinaus sei diese Klausel aber auch deshalb
unwirksam, weil ein periodisches Wohnungsbesichtigungsrecht den Mieter
ebenfalls unangemessen benachteiligt. Hierzu bedürfe es vielmehr eines
besonderen Anlasses. Ansonsten werde die nach dem Grundgesetz geschützte
Privatsphäre des Mieters auf unzulässige Weise durch den Vermieter
beeinträchtigt.
Die Entscheidung des AG Stuttgart-Bad Cannstatt ist mittlerweile
rechtskräftig. Auch wenn über viele Jahre unter den Gerichten umstritten war,
ob dem Vermieter ein periodisches Besichtigungsrecht (alle ein bis zwei Jahre)
zusteht, so hat der BGH dieses mit Urteil vom 08.06.2014 für unzulässig
erachtet. Darüber hinaus ist die Klausel hier auch als zu unbestimmt anzusehen.
Anders sieht es jedoch aus, wenn der Vermieter sich auf einen hinreichenden
Grund berufen kann. In dieser Situation muss der Mieter mit einer Besichtigung
der Wohnung einverstanden sein. Hierzu gehört etwa wenn der Mieter Mängel
angezeigt hat, Messgeräte installiert/ abgelesen werden müssen oder konkrete
Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Mietsache durch Verwahrlosung sprechen.
Das Gleiche gilt, wenn der Vermieter die Wohnung verkauft oder vermietet. Es
reicht hingegen nicht aus, dass der Vermieter die Mietwohnung seit fast 10
Jahren nicht von innen gesehen hat.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer,
Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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